- EU-Erweiterung
- 1. Begriff: Die Erweiterung der ⇡ EG bzw. ⇡ EU von anfänglich sechs Gründungsmitgliedern (Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande) auf 15 Mitgliedstaaten vollzog sich in mehreren Etappen: 1975 (Großbritannien, Irland, Dänemark), 1981 (Griechenland), 1986 (Portugal und Spanien), 1995 (Finnland, Österreich, Schweden). Der jüngste Beitrittsprozess umfasst insgesamt 13 Staaten (inklusive Türkei). Am 1.5.2004 traten die ersten zehn von ihnen der EU bei: Die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und die Slowakei. Die verbleibenden Beitrittsländer Bulgarien und Rumänien führen in den kommenden Jahren die Beitrittsverhandlungen fort und streben den Beitritt bis zum Jahre 2007 an. Die Türkei, die im Jahre 1999 den Status eines Beitrittskandidaten erhielt, hofft auf eine baldige Aufnahme der Beitrittsverhandlungen.- 2. Bedeutung der Erweiterung: Die im Jahre 2004 beginnende Erweiterung um zunächst zehn neue Mitgliedstaaten ist die größte Erweiterung der Geschichte der EU. Sie bietet die historische Chance, Europa wiederzuvereinen und politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu stärken. Im Vergleich zur bisherigen EU mit 15 Mitgliedstaaten bedeutet die Erweiterung: Ca. 20 Prozent Bevölkerungsanstieg, Erhöhung des BIP um fast 5 Prozent, jährliche Inflationsrate ca. 2 Prozent, 1 Prozent höhere Arbeitslosenrate, 3,25 Prozent Wirtschaftswachstum (im Vergleich zu 2,5 Prozent in der EU-15), niedrigere Arbeitskosten je Stunde und niedrigere Arbeitsproduktivität, ein um 12,5 Prozent verringertes BIP pro Kopf, eine um 4 Prozent auf 60 Prozent gesunkene Beschäftigungsrate, 25 Prozent höhere Getreideproduktion; Anstieg des Anteils der Beschäftigten in der Landwirtschaft um ca. 5 Prozent; der Intra-EU-25 Handel macht zwei Drittel des gesamten Handels der erweiterten EU aus.- 3. Historischer Abriss der derzeitigen Erweiterung: a) Beitrittskriterien: Um der EU beitreten zu können, muss ein Staat nach Art. 49 EUV dem europäischen Kontinent angehören sowie die folgenden Grundsätze beachten: Demokratie, Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, Rechtsstaatlichkeit. Zusätzlich wurden für den aktuellen Beitrittsprozess vom ⇡ Europäischen Rat bestimmte politische und wirtschaftliche Bedingungen festgelegt. Diese sog. Kopenhagen-Kriterien verlangen von einem zukünftigen Mitgliedstaat: (1) Stabilität der Institutionen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Achtung der Menschenrechte und Achtung und Schutz von Minderheiten, (2) eine funktionierende Marktwirtschaft, (3) die Übernahme der gemeinschaftlichen Regeln, Standards, und Politiken, die die Gesamtheit des EU-Rechts darstellen (Acquis Communautaire) sowie die Akzeptanz der grundlegenden Ziele der EU (inklusive der politischen, wirtschaftlichen und währungspolitischen Integration).- b) Vorbeitrittsprozess: Die EU strukturiert, beobachtet und unterstützt den Vorbeitrittsprozess. Sie stellt verschiedene Finanzierungsinstrumente bereit. Die Anfang der 90er Jahre abgeschlossenen ⇡ Europa-Abkommen bilden die Grundlage eines umfassenden Anpassungsprozesses der Beitrittskandidaten. Diese wurden ergänzt durch eine „Vorbeitrittsstrategie“, die sich aus drei Instrumenten zusammen setzt: (1) Beitrittspartnerschaften: Auf ihrer Basis legt jeder Beitrittskandidat nationale Programme zur Beitrittsvorbereitung fest, die kurz- und mittelfristige Prioritäten enthalten und deren Erreichung mit Hilfe des ⇡ PHARE-Programms unterstützt wird. (2) Finanzhilfen: Seit 1999 wurde die finanzielle Förderung des Vorbeitrittsprozesses erheblich erhöht und zwei zusätzliche spezifische Instrumente geschaffen: Das strukturpolitische Instrument ISPA sowie das landwirtschaftliche Programme SAPARD. Diese beiden Instrumente ergänzen das 1989 geschaffenen Programm PHARE, das immer stärker auf den Beitritt ausgerichtet wurde und dessen prioritäre Zielsetzungen der Aufbau und die Stärkung von Institutionen (30 Prozent) sowie die Förderung von Investitionen (70 Prozent) sind. Der erstgenannte Bereicht wird bes. mit Hilfe eines langfristigen Expertenaustauschs auf nationaler und regionaler Ebene in Richtung Beitrittskandidaten, dem sog. Twinning-Programm, verfolgt. (3) Öffnung einiger Gemeinschaftsprogramme (z.B. in den Bereichen Forschung, Bildung und Jugend) für die Beitrittskandidaten.- c) Verhandlungen: Seit 1998 wurde der Beitritt mit sechs Bewerberstaaten verhandelt. Seit 2000 wurden die Verhandlungen auf die übrigen sechs Bewerberstaaten ausgedehnt. Die Beitrittsverhandlungen haben den Charakter von bilateralen Regierungskonferenzen zwischen EU-Regierungen und der Regierung des jeweiligen Beitrittslandes. Auf EU-Seite wird auf Basis eines gemeinsamen Standpunktes des Rates der Europäischen Union (Ministerrat), der wiederum auf einer vorläufigen Verhandlungsposition der Europäischen Kommission beruht, unter Leitung der EU-Ratspräsidentschaft verhandelt. Die Verhandlungen umfassen 31 Verhandlungskapitel. Mit der Türkei wurden bis 2004 noch keine Verhandlungen aufgenommen. Die Verhandlungen wurden mit zehn Staaten im Dezember 2002 abgeschlossen. Ein einziger Beitrittsvertrag mit diesen Staaten wurde am 16.4.2003 unterzeichnet und trat am 1.5.2004 nach Ratifizierung in allen betroffenen „alten“ und „neuen“ Mitgliedstaaten und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments in Kraft.- Weitere Informationen unter www.europa.eu.int.
Lexikon der Economics. 2013.